7. Wasserstofftag Lampoldshausen
Die Ziele deutscher und europäischer Energie- und Klimapolitik sind klar formuliert: Bis Mitte des Jahrhunderts muss die globale Energieversorgung weitgehend klimaneutral – also ohne Anstieg von Treibhausgasen in der Atmosphäre – erfolgen, um die Erderwärmung auf zwei Grad Celsius gegenüber vorindustriellen Werten zu begrenzen. Dies erfordert eine weiterhin zunehmende Nutzung von erneuerbaren Energien sowie der Vernetzung der energieintensiven Sektoren. Regenerativ erzeugter Wasserstoff wird dabei einen wesentlichen Beitrag leisten. Rund 75 Vertreter aus Politik, Forschung und Industrie diskutierten am 4. Juli 2019 beim Wasserstofftag in Lampoldshausen aktuelle und zukunftsweisende Entwicklungen der Wasserstofftechnologie. Die zum siebten Mal stattfindende Fachtagung wurde veranstaltet von der Wirtschaftsförderung Raum Heilbronn GmbH und dem Institut für Raumfahrtantriebe des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR). Der Erfahrungsaustausch und Wissenstransfer stand im Fokus dieser Fachtagung, um Einzelvorhaben zu bündeln und dem Wasserstoff als ideale Schnittstelle bei der Sektorenkopplung zum Durchbruch zu verhelfen.
Chancen für die Region Heilbronn Franken konsequent nutzen
Mit Wasserstoff lassen sich die Bereiche Strom, Wärme, Gas und Kraftstoffen verbinden. Regenerativ erzeugter Wasserstoff bietet somit eine herausragende Vielfalt an Nutzungsmöglichkeiten und die Eigenschaft, zwischen den Sektoren als sekundärer Energieträger zur Flexibilisierung von Erzeugung und Verbrauch zu dienen. Der Bedarf an entsprechenden “Power-to-X“-Anlagen, die diese Flexibilisierung ermöglichen, wächst mit der Elektrifizierung der Sektoren und dem steigenden Anteil an erneuerbarem Strom im Netz beständig. Welchen Stellenwert die Wasserstofftechnologie insbesondere im Kontext der Sektorenkopplung für die Region Heilbronn zukünftig hat, darüber sprachen im Rahmen der diesjährigen Wasserstofftagung Helmfried Meinel, Ministerialdirektor des Umweltministeriums Baden-Württemberg, Detlef Piepenburg, Landrat des Landkreises Heilbronn, Klaus Hamacher, stellvertretender Vorstandsvorsitzender des DLR, Thorben Andersen, DLR-Projektleiter und Helmut Stettner, Werkleiter der Audi AG Neckarsulm. Im Mittelpunkt dieser Gespräche stand der mögliche Aufbau einer Wasserstoff-Infrastruktur in der Region Heilbronn.
„Die Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie wird sich neben dem batterie-elektrischen Fahrzeug als Antriebskonzept zunächst bei Bussen und Nutzfahrzeugen durchsetzen. Die Nutzung von Wasserstoff geht aber weit über die Mobilität hinaus. Neben Fahrzeugen müssen nun Wasserstoff-Modellregionen geschaffen werden, in denen die vielen Einsatzmöglichkeiten des Wasserstoffs bei der Gebäudeheizung, in der Industrie oder als Energiespeicher geprüft und umgesetzt werden können,“ sagte Helmfried Meinel, Ministerialdirektor im Umweltministerium. „Das gemeinsame Handeln ist jetzt wichtiger denn je. Wasserstoff muss im Großen gedacht und umgesetzt werden.“
Mit Wasserstoff betriebene Brennstoffzellen gelten als Schlüsseltechnologie in der Mobilität und stellen eine emissionsfreie Alternative dar, um klimaschädliche Treibhausgase zu reduzieren. Mit dem Audi-Werk in Neckarsulm ist die Entwicklung der Brennstoffzelle und mit dem Projekt H2ORIZON die Produktion von grünem Wasserstoff in der Region Heilbronn verankert. „Die weitere Entwicklung der Brennstoffzellentechnologie im Wirtschaftsraum Heilbronn kann von dem Wind-Wasserstoff aus dem Harthäuser Wald profitieren. Dabei ist der Ausbau regionaler strategischer Partnerschaften von großer Bedeutung“, so Detlef Piepenburg, Landrat des Landkreises Heilbronn.
„In der Schnittmenge des DLR Lampoldshausen mit seiner Umgebung, den Windkraftanlagen und der Automobilindustrie liegt ein erhebliches Potenzial, die Erforschung und die industrielle Anwendung der Wasserstofftechnologie weiter voranzutreiben“, betonte Klaus Hamacher, stellvertretender Vorstandsvorsitzender des DLR. „Regenerativ erzeugter Wasserstoff aus Windkraft und dessen sinnvolle Verteilung trägt maßgeblich dazu bei, die Mobilität nachhaltiger und umweltfreundlicher zu gestalten. Die sektorübergreifende Nutzung von grünem Wasserstoff ist ein weiterer Beitrag zum Gelingen der Energiewende“, so Hamacher weiter.
Grüner Wasserstoff aus Windkraftanlagen im Harthäuser Wald
Wasserstoff ist das ideale Speichermedium, mit dem sich die Erzeugung von Strom, Wärme, Gas und Kraftstoffen miteinander koppeln lässt. Diese Eigenschaften machen ihn zu einem idealen Energieträger. Wenn der Wind in Spitzenzeiten im Harthäuser Wald mehr elektrischen Strom liefert als benötigt, kann mit dem Überschuss in der H2ORIZON Anlage Wasserstoff produziert werden. Zentrales Element dabei ist der Elektrolyseur, der überschüssigen Windstrom in Wasserstoff umwandelt. „Dieser kann dann bei Bedarf in sogenannten FCEV (fuel cell electric vehicles) genutzt und somit der Mobilität zugeführt werden, als Beimischung in unser neues Blockheizkraftwerk zur Versorgung des DLR-Standortes mit Wärme und Strom oder in unseren Triebwerksprüfständen als Treibstoff verwendet werden. Bei der mobilen Nutzung stehen nicht nur PKWs im Fokus. Insbesondere der ÖPNV könnte von der emissionsfreien Alternative zu Verbrennungsmotoren profitieren. Die Energieversorgung am Standort Lampoldshausen kann außerdem als Vorbild dienen, um neue Wohnquartiere mit diesem Konzept klimaneutral mit Energie zu versorgen“, erläutert Prof. Stefan Schlechtriem, Direktor des DLR-Instituts für Raumfahrtantriebe, die Perspektiven für die zukünftige Anwendung des grünen Wasserstoffs für die Region Heilbronn. Mit dem Projekt H2ORIZON investieren das DLR und die ZEAG Energie AG in eine Forschungs- und Demonstrationsplattform, die als Reallabor dazu dienen soll, die Chance der lokalen Sektorenkopplung besser verstehen und das Anlagenkonzept sowie die Steuerung und Regelung des Anlagenbetriebs optimieren zu können. Im Fokus stehen dabei die Reduktion der Treibhausgase in der Energiewirtschaft, im Verkehr, in Industrieprozessen und der Raumfahrt sowie die Integration von immer größeren Anteilen erneuerbaren Stroms in unsere Netze.
Darüber hinaus werden durch den BHKW-Betrieb mit Erdgas und Wind-Wasserstoff bereits vor Ort die CO2-Emissionen in der Energieversorgung des DLR-Standorts Lampoldshausen reduziert.
Wasserstofftechnologie: Perspektiven gestalten
Das Vortragsprogramm beleuchtete Wasserstoff aus unterschiedlichen Blickwinkeln. In ihren Fachvorträgen adressierten die Vortragenden zentrale Themen der Wasserstofftechnologie wie die Digitalisierung als Schlüsselfaktor für den erfolgreichen und nachhaltigen Umbau des Energiesystems, die Potenziale des Wasserstoffs für eine CO2-neutrale Mobilität und Raumfahrt, als auch die Perspektiven und Herausforderungen für die weitere Marktentwicklung von Wasserstoff und Brennstoffzellen.
Quelle: Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) Lampoldshausen